Höheres Gewerbesteueraufkommen – eine neue Chance für Mainz
Beschluss des ordentlichen Kreisparteitags am 18. Mai 2022
Die Steuereinnahmen der Stadt Mainz haben durch den wirtschaftlichen Erfolg von BioNTech eine Höhe erreicht, die vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war. Dank der aktuellen Gewerbesteuererträge können nun die Weichen in der Finanzpolitik neu gestellt werden.
Die Stadtspitze hat – im Einvernehmen mit den Fraktionen der „Ampel“ – eine erste Konzeption vorgelegt, wie die zukünftigen Einnahmen verwendet werden sollen und in welche Richtung die weitere Entwicklung der Stadt gehen soll. Wir begrüßen diesen Konsens, wollen aber auch weiterführende Anregungen in die Diskussion einbringen. Dabei ist uns bewusst, dass in der derzeitigen Situation noch keine vollständige Klarheit über die tatsächliche Entwicklung herrscht und alle Prognosen mit größter Vorsicht zu behandeln sind. Die Finanzpolitik der Zukunft muss sich an übergeordneten Zielen orientieren und vor allem die langfristige Sicherung der Leistungsfähigkeit im Auge behalten
Schulden tilgen – Steuern senken – Technologie-Standort Mainz ausbauen
Der voraussichtliche Jahresüberschuss 2021 von 1,09 Mrd. € (Stand 02/2022) bietet die einmalige Chance, die Kassenkredite der Stadt praktisch vollständig abzulösen und so die bisherigen Schulden der Stadt weitgehend abzubauen. Dieser Schritt hat für uns allerhöchste Priorität. Wir wollen ein Mainz, das dauerhaft schuldenfrei bleibt.
Wir begrüßen, dass der Hebesatz der Gewerbesteuer von 440 auf 310 Punkte gesenkt werden konnte. Dadurch vermeiden wir eine unnötige Konkurrenz zwischen den Biotechnologie-Standorten in Rheinland-Pfalz und schaffen für die Branche Planbarkeit und zukunftsfeste Standortbedingungen. Zugleich entlasten wir über 3.000 Betriebe in Mainz und stärken so deren Wirtschaftskraft. Dies ist – gerade angesichts der aktuellen Unsicherheiten – von hoher Bedeutung nicht nur für die Wirtschaft, sondern für alle Mainzerinnen und Mainzer. Wir stellen fest, dass unsere grundsätzliche, seit langem vorgetragene Vorstellung und Forderung, dass Steuersenkungen – eine entsprechende Wirtschaftskraft vorausgesetzt – machbar und sinnvoll sind, ihre Berechtigung hat.
Trotz der Absenkung des Gewerbesteuerhebesatzes kann nun mittelfristig mit steigenden Einnahmen der Stadt gerechnet werden. Dies hat bereits in der Öffentlichkeit eine breite Diskussion über deren Verwendung ausgelöst. Viele der Vorschläge sind sinnvoll und verständlich. Es wäre aber falsch, zukünftige Überschüsse – für das Jahr 2022 rechnen wir zurzeit mit 490,8 Mio € (Stand Febr. 2022) – einfach kurzfristig auszugeben. Prioritäres Ziel muss es vielmehr sein, die steuerliche Basis der Stadt zu verbreitern und so die Handlungsfähigkeit der Stadt dauerhaft und langfristig zu sichern.
Neuverschuldung dauerhaft vermeiden – Das Vermögen der Stadt vergrößern – Spielräume erweitern
Schon in den letzten Jahren haben wir solide gewirtschaftet, Überschüsse aufgebaut, Altschulden abgebaut und die Neuverschuldung auf null heruntergefahren. Gleichzeitig wurden Zuschüsse und kulturelle Einrichtungen stabilisiert, in Schulen, Kitas und Feuerwehr investiert. Große Projekte wie der Neubau des Gutenbergmuseums, die Sanierung des Rathauses, der Rheingoldhalle und des kurfürstlichen Schlosses, die Entwicklung des Rheinufers, die Schaffung eines Parks am Schloss, sowie der Neubau von Bürgerhäusern wurden realisiert oder sind in Arbeit bzw. in Vorbereitung. All diese Projekte können mit den neuen Steuereinnahmen nun besser und schneller realisiert werden.
Nach unserer Auffassung muss sich die zukünftige Verwendung von Steuermitteln vor allem daran messen lassen, ob sie die Rahmenbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft dauerhaft verbessert, also als wachstumsfördernde Investition in die Zukunft zu bewerten ist. Wir wollen das Geld nicht einfach ausgeben, sondern vorausschauend und intelligent nutzen und neue Handlungsspielräume für uns und zukünftige Generationen gewinnen. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, private Investitionen anzustoßen, um die Herausforderungen bspw. beim Wohnungsbau, bei der Digitalisierung, beim Ausbau der Infrastruktur und beim Klimaschutz bewältigen zu können.
Folgende Punkte für die zukünftige Haushaltspolitik der Stadt Mainz sind für uns von besonderer Wichtigkeit:
1. Wir wollen durch die Tilgung der Kassenkredite die Altschulden soweit wie möglich abbauen; Kassenkredite und die Kredite städtischer Gesellschaften zurückfahren. Wir haben in der Vergangenheit – trotz Corona – den Grundstein dafür gelegt, nach dem Abbau der Altschulden nicht erneut Haushaltlöcher stopfen zu müssen. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.
2. Wir schlagen vor, städtischen Gesellschaften, die von der Corona-Krise besonders betroffen waren, entsprechendes Eigenkapital (EK) zuzuführen. Eine verstärkte Zuführung von EK ist auch bei den Gesellschaften notwendig, die stärker als bisher durch die neue Entwicklung gefordert sind (GVG, Wohnbau) oder wichtige Zukunftsaufgaben erfüllen (z.B. Stadtwerke, mittelfristige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien; Mainzer Mobilität, Angebotsausweitung bei gleichzeitiger Erweiterung und Dekarbonisierung des ÖPNV).
3. Die Anlagen der Stadt sind periodisch auf ihren Ertrag hin zu überprüfen. Eine Orientierung von Anlagen am Kriterium der „Nachhaltigkeit“ – wie vom Stadtrat beschlossen – ist sinnvoll (insbesondere im Hinblick auf CO2-Vermeidung). Der Begriff „Nachhaltigkeit“ darf jedoch nicht überdehnt werden. Die Erträge für die Stadt und die Vermeidung von Risiken müssen bei der Auswahl der Anlagen nach wie vor im Mittelpunkt der Anlagenpolitik stehen.
4. Wir begrüßen alle Schritte, zukünftige Haushalte weiter zu entlasten. Angedacht ist bspw. die Zuführung von Mitteln in den Pensionsfonds oder der Ankauf von Immobilien, um die Mietkosten für die Stadt zu senken.
5. Die neue finanzielle Situation ermöglicht es der Stadt, eine aktive Rolle in der Bevorratung von Grund und Boden und der Übernahme von Immobilien zu übernehmen. Somit könnte sie wichtige Instrumente zur Steuerung der Stadtentwicklung und Stadtplanung in die Hand nehmen. Dadurch könnten die anstehenden städtebaulichen Aufgaben (Entwicklung der neuen Forschungs- und Gewerbestandorte und ggf. neuer Wohngebiete) besser gelöst werden. Zu diesen Zukunftsaufgaben gehört auch die Stärkung der Innenstadt. Die neuen finanziellen Spielräume sollen verstärkt auch dazu genutzt werden, bei der Realisierung städtebaulicher Vorhaben Bodenspekulation zu verhindern. So können wir gute qualitative Lösungen im Städtebau und der Stadtentwicklung anbieten und gleichzeitig einen weiteren Beitrag zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums zu leisten
6. Hohe Priorität bei den Zukunftsinvestitionen hat die Verbesserung der Verkehrs-Infrastruktur. Dazu gehört die Reparatur von Straßen und Wegen und der Ausbau des ÖPNV. Die begonnene Ausstattung der Straßen mit digitalisierten Ampeln kann nun zügig fortgeführt und auf die ganze Stadt erweitert werden. Ziel ist es, die Abläufe spürbar zu verbessern und durch bedarfsgerechte Lösungen im Verkehrsgeschehen die Infrastruktur besser zu nutzen. Das bereits beschlossene digitale Parkleitsystem ist zügig umzusetzen.
7. Ebenso muss für die nächsten Jahre die Digitalisierung der Verwaltung energisch vorangetrieben werden mit dem Ziel, den Service für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Bauherr:innen und Investor:innen deutlich zu verbessern. Auch in den internen Prozessen braucht die Verwaltung einen Digitalisierungsschub, um ihre Aufgaben in Bereichen wie bspw. intelligente Infrastruktur, Mobilität und Umwelt besser erfüllen zu können.
8. Die zusätzlichen Steuermittel wollen wir verstärkt in den Bildungsbereich und die soziale Infrastruktur investieren. Wir wollen die anstehenden Sanierungen und Neubauten von Schulen beschleunigen. Ebenso sind ein verstärkter Bau von Kitas, Investitionen in die frühkindliche Bildung und die Gründung einer internationalen Schule erforderlich. Zudem sehen wir neue Spielräume für die Förderung von Kultur und der in Mainz engagierten Initiativen. Wir warnen vor einer planlosen Stellenmehrung. Erhöhte Personslauwendungen sind jedoch im Bildungsbereich notwendig (bspw. Mehreinstellungen von Kita-Personal) oder dort, wo in hoheitlichen Bereichen die Qualität der Dienstleistungen verbesserungswürdig ist (z.B. Abwicklung von Genehmigungsverfahren). Außerdem muss sich die Kommune auf einen zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte einstellen.
9. Investitionen in den Klimaschutz und die Klimaresilienz werden in Zukunft von großer Bedeutung sein. Sie sind Querschnittsaufgaben zukunftsorientierter Stadtentwicklung.
10. Wir treten dafür ein, bei allen Maßnahmen und Investitionen die Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten, alle Maßnahmen zu evaluieren und Private nicht über Gebühr zu belasten. Bei Beteiligungen städtischer Gesellschaften ist auch deren Belastbarkeit immer in Betracht zu ziehen. Die bisherige Praxis, bei der Lösung von Aufgaben Förderprogramme des Landes und des Bundes zu nutzen (z.B. soziale Stadt, Förderprogramme zum Umwelt- und Klimaschutz), wollen wir fortsetzen und intensivieren.
11. Falls im Rahmen einer mittelfristigen Finanzplanung darstellbar, sollen auch finanzielle Entlastungen für die Bewohner der Stadt erfolgen. Wir schlagen vor, in einem ersten Schritt eine Rücknahme derjenigen Belastungen zu prüfen, die vor 9 Jahren unter ausdrücklichem Verweis auf den Kommunalen Entschuldungsfonds eingeführt wurden. Entlastungen müssten auch für die zahlreichen in Mainz wirkenden Vereine möglich sein, z.B. durch Mietnachlässe bei städtischen Immobilien oder stärkere Förderung der Vereinsarbeit
Die Verwaltung wird in den nächsten Monaten Vorschläge machen, wie die Investitionsplanung ab dem Haushaltsjahr 2023/24 optimiert werden kann. Stellungnahmen der Finanzverwaltung, der Fachämter und der Eigenbetriebe sollen die Beratung hierüber in den Gremien vertiefen. Wir unterstützen die Zielrichtung, eine hohe Transparenz zu schaffen, Planung und Umsetzung optimal abzustimmen sowie die Steuerungsmöglichkeiten des Stadtrats zu stärken.